Methodischer Hintergrund

mobiTopp ist ein mikroskopisches Modell zur Simulation der Verkehrsnachfrage. Es basiert auf dem Prinzip der Multi‐Agenten‐Simulation.

Alle Personen im Planungsraums werden im Modell als einzelne Agenten repräsentiert. Das Modellergebnis stellt alle Wege der Agenten im Untersuchungsgebiet dar. Den Agenten sind Attribute zugeordnet, die den Merkmalen der Bevölkerung entsprechen, z. B. Alter, Beruf und ÖV‐Zeitkartenbesitz. Jeder Agent hat ein Aktivitätenprogramm, das im Verlauf der Simulation durchgeführt wird und in dessen Verlauf Zielwahl‐ und Verkehrsmittelwahlentscheidungen zu treffen sind. Hierbei werden moderne Methoden der Entscheidungsmodellierung (discrete choice models) verwendet. Beispiele für konkrete Anwendungen sind unter Features und Modellregionen zu finden.

Die Datengrundlage des Modells bilden Mobilitätsbefragungen, wie z.B. das Deutsche Mobilitätspanel (MOP) oder Mobilität in Deutschland (MiD). Diese werden mit raumstrukturellen Daten, Bevölkerungsdaten und Daten über das Verkehrsangebot verbunden.

Merkmale

Diskrete Wahlmodelle
Das in Befragungen beobachtete Verhalten wird mit Wahlmodellen in das Gesamtmodell integriert. Es können eine Vielzahl unterschiedlicher Modelltypen zum Einsatz kommen: Multinomial, Nested, Cross Nested oder Mixed Logit.
Abbildung von Haushalten
Die Personenagenten „kennen“ ihren Haushaltskontext. Je nach dem, in was für einer Situation sie sich befinden (mit/ohne Kinder, Haushaltsgröße, ÖV-Zeitkartenbesitz …) variiert ihr Mobilitätsverhalten.
Simulationszeitraum eine Woche
Die Modellierung einer Woche ermöglicht Abbildung von Stabilität und Variabilität in Ziel und Verkehrsmittelwahl. Multi- und monomodales Verhalten wird in der Simulation erkennbar.
Abbildung von Mobilitätswerkzeugen
Fahrrad- und Autobesitz, ÖV-Zeitkarte, Registrierung bei Sharing-Anbietern und weiteren Mobilitätsdienstleistern – all diese Entscheidungen haben Einfluss auf die Mobilität und können realistisch abgebildet werden.

Mehrstufige Bevölkerungssynthese
Mittels Methoden wie dem Iterative Proportional Updating wird ein Abbild der Bevölkerung erzeugt, welches in möglichst vielen Merkmalen der echten Bevölkerung entspricht. Üblicherweise wird mindestens die Anzahl der Personen innerhalb von Alters- und Geschlechtsgruppen berücksichtigt, jedoch können auch weitere Merkmale (Haushaltsgröße, PKW-Besitz, Haushaltseinkommen) in der Erstellung berücksichtigt werden.

Abbildung von drei Stufen der Verkehrsnachfragemodellierung
Bezogen auf die Terminologie des Vier-Stufen-Prozesses der Verkehrsnachfragemodellierung: mobiTopp enthält die Verkehrsentstehung, Zielwahl und Verkehrsmittelwahl. Zur Abbildung der Umlegung können externe Tools über Schnittstellen verwendet werden.

 

Ablauf

Darstellung des mobiTopp Prozessablaufs
Gesamter mobiTopp-Prozessablauf
1. Langfristmodul

Im Langfristmodul wird eine synthetische Bevölkerung erzeugt, die die Menschen im Planungsraums repräsentiert. Dazu werden Bevölkerungsstatistiken des Planungsraums und real existierende Haushalte mittels eines Iterative Proportional Updating-Algorithmus zusammengeführt. Personen erhalten Aktivitätspläne, die auf Basis von Mobilitätserhebungen erzeugt werden. Außerdem werden ihnen auf Basis des vorliegenden Verkehrsangebots und der Soziodemografie Mobilitätswerkzeuge, wie PKW-Besitz, ÖV-Zeitkartenbesitz und Mitgliedschaften bei Carsharing-, Bikesharing- und anderen Anbietern, zugeordnet. Schließlich werden den Personen auf Basis von Pendelstatistiken u.a. unveränderliche Ziele wie Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zugewiesen.

2. Kurzfristmodul

Im Kurzfristmodul wird entsprechend der Aktivitätenpläne chronologisch das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung simuliert. Die Personen führen ihre Aktivitäten simultan zu den geplanten Uhrzeiten aus und bewegen sich hierzu von ihrem Aufenthaltsort zum Ort der Aktivität. Die aufzusuchenden variablen Ziele (Einkaufs- und Freizeiteinrichtungen) sowie die verwendeten Verkehrsmittel werden auf Einzelpersonenebene situationsabhängig gewählt. Dabei wird das Verkehrsangebot zum jeweiligen Zeitpunkt (z. B. die Verfügbarkeit des Pkw des Haushalts, von Bikesharing-Fahrrädern oder Ridepooling-Fahrzeugen) berücksichtigt. Für die Entscheidungen werden diskrete Wahlmodelle wie Nested und Mixed Logit verwendet, womit die interpersonelle Heterogenität berücksichtigt wird.

Prinzip der Abläufe im Kurzfristmodul:

Technischer Hintergrund

Programmiersprache
mobiTopp basiert auf der etablierten Programmiersprache Java.

Parallelisierung
Erste Teile von mobiTopp sind bereits parallelisiert. Weitere werden in aktuellen Projekten ergänzt.

Kompatibilität
Es bestehen Schnittstellen zu PTV Visum, MATSim und FleetPy, es gibt ergänzende Werkzeuge in Python und R.

Open Source
mobiTopp ist auf Github veröffentlicht: github.com/kit-ifv/mobitopp

Datenbankstruktur
Die vielfältigen Eingangsdaten werden aufbereitet und in einem Datenbanksystem gespeichert (siehe Abbildung).

IfV-KIT
Übersicht über Eingangsdaten und Datenbankstruktur

Wichtigste wissenschaftliche Publikationen

Übersichtsartikel zur Methodik von mobiTopp mobiTopp – A Modular Agent-based Travel Demand Modelling Framework (2013)
Modeling travel demand over a period of one week: The mobiTopp model (2017)
Erzeugen synthetischer Aktivitätenpläne (actiTopp)

Erstellung von Wochenaktivitätenplänen für Verkehrsnachfragemodelle (2019)
Modeling Week Activity Schedules for Travel Demand Models (2017)

Methode der Generierung von Attraktivitäten Using OpenStreetMap as a Data Source for Attractiveness in Travel Demand Models (2021)
Modellierung intermodaler Wege in mobiTopp Modeling intermodal travel behavior in an agent-based travel demand model (2021)
Modellierung von Ridepooling a) Modellierung innerhalb von mobiTopp: Determining service provider and transport system related effects of ridesourcing services by simulation within the travel demand model mobiTopp (2021)
b) Kopplung mit externer Software FleetPy: Self-Regulating Demand and Supply Equilibrium in Joint Simulation of Travel Demand and a Ride-Pooling Service (2021)
Erste und letzte Meile Paketzustellungen

Proof of Concept Paper: Integrating urban last-mile package deliveries into an agent-based travel demand model (2021)
Commercial Customers: Microscopic Agent-Based Parcel Demand Model for the Simulation of CEP-Based Urban Freight Movements to and from Companies (2023)

Carsharing Implementation of free-floating and station-based carsharing in an agent-based travel demand model (2018)
Kombination mit MATSim Creating an integrated agent-based travel demand model by combining mobiTopp and MATSim (2019)